Voller Tradition: Das Schaustellergewerbe und die Kirche in Deutschland


Die Zusammenarbeit zwischen Schaustellerinnen und Schaustellern und kirchlichen Institutionen beruht auf einer traditionell engen Verbundenheit zwischen Schaustellerfamilien und der Kirche:
Die Reise der Schausteller orientiert sich seit Jahrhunderten am kirchlichen Kalender; man denke an die vielen Ostermärkte, mit denen die Saison beginnt. Nach dem Winterquartier in den heimischen vier Wänden und Betriebshöfen verlassen Schaustellerinnen und Schausteller mit ihren LKW, Zugmaschinen, Anhängern und Wohnwagen den Heimatort und legen los. Es folgen dann die Pfingstmärkte und ungezählte Kirmessen (Kirchmessen) und Kirchweihen, die ihren kirchlichen Ursprung schon in ihren Namen tragen, aber natürlich auch z. B. Kiliani in Würzburg oder Libori in Paderborn – riesige Volksfeste mit mehr als 1000-jähriger Tradition zu Ehren von Schutzpatronen und Heiligen. Für viele Schausteller ist dann die Allerheiligenkirmes in Soest Anfang November das letzte Gastspiel des Jahres, bevor es auf die Weihnachtsmärkte geht.
Und so eng, wie der Beruf der Schausteller mit der Kirche verknüpft ist, so eng ist oft auch ihr persönliches Verhältnis.
Um kirchliches Leben auch auf der Reise zu ermöglichen, wurden schon vor knapp sechs Jahrzehnten die Katholische und vor knapp fünf Jahrzehnten die Evangelische Circus- und Schaustellerseelsorge ins Leben gerufen. Die haupt- und ehrenamtlichen Pfarrer und Pfarrerinnen, die mit den Besonderheiten eines solchen Lebens auf Achse vertraut sind, besuchen die Familien auf den Festplätzen. Sie veranstalten Gottesdienste in den Festzelten oder auf den Plattformen der Autoscooter.
Hier finden auch Taufen, Kommunionen, Firmungen und Konfirmationen statt, manchmal auch Hochzeiten, die dort inmitten einer großen Zahl von Familienangehörigen, Freunden und Kollegen eine ganz eigene, besondere Feierlichkeit in sich tragen.
Kindern und Jugendlichen werden insbesondere in der Zeit des Stillstands (Januar bis März) auch besondere Angebote für Freizeiten unterbreitet; das Schicksal der Kranken und Sterbenden begleiten die „Schausteller-“ oder auch „Circuspfarrer“ genannten Pfarrerinnen und Pfarrer und feiern – mit oft sehr vielen Gästen – die Trauerfeiern.
Volksfeste und Kirche – das bedeutet stets „miteinander“. Auch heute noch, wenn das rege Leben von bunten Kirmessen die Vorplätze alter Kirchen füllt, wenn Jung und Alt sowie alle Menschen ungeachtet ihres Standes, ihrer Herkunft gemeinschaftlich feiern und zusammenkommen. Und solange „Kirmes“ von dem Wort „Kirchmess“ abstammt, werden Volksfeste, Schausteller und die Kirche auch zukünftig verbunden und für alle da sein.